Das Publikum
Einmal in der Woche darf er wieder spielen. Spät am Abend zwar nur, doch immerhin hat er ein Klavier und einen Raum, wo er sitzen und sich in seiner Musik verlieren kann. Dass die Leute auf der Strasse ihn hören, stehen bleiben und andächtig lauschen, dass sie ihm trotz allem ein Publikum sind, das gefesselt ist von seinen Melodien, das alles bemerkt er nicht. Er ist in seiner eigenen Welt. Er weiss nichts von dem Publikum, das ihn nicht sieht, aber ihn hört und ergriffen ist. Er sieht ein anderes Publikum, wenn er den Saal betritt, und er spürt es in seinem Rücken, wenn er spielt. Er ist noch einmal auf der Bühne und er füllt noch einmal den ganzen Saal. Er erlebt noch einmal seinen Erfolg. Fühlt seinen Erfolg, fühlt die Musik, fühlt die Melodie und ist eins mit dem Klavier. Er spielt und spielt, vor ihm das Orchester und hinter ihm das Publikum, das toben wird, sobald er sein letztes Stück beendet hat. Wenn er spielt, ist alles still, es wird kaum geatmet, so gebannt hören sie ihm zu. Kein Räuspern, kein Husten, nichts, denn das, was das Publikum hier geboten bekommt, hat es so noch nie gehört. Es ist verzaubert von seiner Musik. Verzaubert von ihm. Er kann etwas, das niemand vor ihm konnte, seine Art zu spielen ist etwas Besonderes. Er ist ein Genie. War es jedenfalls. Doch auch wenn er vieles von seinem Können eingebüsst hat, etwas ist immer noch da. Deswegen darf er auch einmal pro Woche im Klaviergeschäft spielen. Das Publikum, das er jetzt hat, ist dessen potenzielle Kundschaft, und er ist die Werbung. Zum Glück weiss er davon nichts. Ihm ist es egal, wer ihm zuhört, denn seine Realität ist anders. Er merkt von all dem nichts. Für ihn ist nur wichtig, dass er jede Woche auf die Bühne kann, dass er zu seinen Konzerten kann. Ohne seine Konzerte kann er nicht leben. Er ist krank, doch es geht ihm besser, wenn er spielt. Das ist das Einzige, was zählt. Er lebt für die Musik, er lebt für das Publikum. Und er hört den Applaus – bis zum Schluss.