Ihre Tür steht immer offen
Gespannt wartet Anna darauf, dass etwas passiert. Sie wartet schon so lange, dass sie anfängt, in ihrem Haus herumzutigern, weil sie es nicht mehr schafft, einfach nur untätig herumzusitzen. Fieberhaft überlegt sie, warum er nicht einfach zu ihr hereinkommt. Sie hat ihre Tür doch schon so lange für ihn geöffnet.
Und so setzt Anna sich auch heute wie jeden Tag ans Fenster, in der Hoffnung, ihn irgendwo zu sehen und zu erkennen, ob er sich nun endlich dazu entschlossen hat, den ersten Schritt durch die Tür zu machen.
Erst gestern stand er einfach nur da und hat nichts gemacht. Nichts. Dabei muss er doch sehen, dass die Tür offen steht. Er sieht schliesslich auch, dass sie da am Fenster sitzt und ihm zuwinkt, denkt Anna. Er muss es ja sehen, denn jedes Mal winkt er grinsend zurück. Und trotzdem kommt er einfach nicht herein.
Jeden Tag auf‘s Neue, wenn sie hinaussieht, hat Anna die Hoffnung, dass er wenigstens ein bisschen näher gekommen ist. Doch meistens wird ihre Hoffnung enttäuscht. Es kann sogar sein, dass er gar nicht da ist oder sie ihn nur noch von ganz weit weg erkennen kann. Manchmal steht er zwar nahe bei ihr, hat ihr aber den Rücken zugewandt oder läuft schon wieder weg. Sie versteht das einfach nicht.
Trotzdem klammert Anna sich an das Wissen, dass er irgendwo da draussen ist. Versteht er denn nicht, was das bedeutet? Dass sie ihre Tür Tag und Nacht für ihn geöffnet hat, obwohl sie doch so wahnsinnige Angst vor einem Einbrecher hat? Es kostet Anna wirklich viel Kraft, die Tür offen zu lassen. Aber weil sie weiss, dass er da ist, denkt Anna sich, egal wie lange es dauert, irgendwann wird er zu ihr hereinkommen und dann wird alles gut. Und bis dahin steht ihre Tür immer für ihn offen.
Was Anna aber nicht weiss: Er sieht nicht, dass sie in ihrem Glashaus sitzt und auf ihn wartet. Er sieht nicht, dass ihre Tür für ihn offen steht. Er sieht nur, dass sie nicht auf ihn zukommt, obwohl er sich doch immer wieder in ihrer Nähe aufhält. Er weiss sogar, dass Anna ihn sieht, denn sie winkt ihm ja immer wieder zu. Er versteht das einfach nicht.
Jaaaaaaaaa, so gut. Die Reise beginnt mit dem ersten Schritt!
Danke für deinen Gedanken.
Liebe Grüsse, Xaver 🙂
Danke! Der erste Schritt ist immer der wichtigste – aber eben auch der schwerste….
ganz wunderschön 🙂 in der mitte des textes dachte ich erst, dass anna im pflegeheim sitzt. allein.
und wartet auf den tod.
so kanns gehen 😀
danke! und einen guten start in die woche.
Hihi, ja, auch das hätte ja sein können… Eigentlich toll, dass es bis zum Ende nicht ganz klar ist – noch besser wäre es ja, wenn am Ende auch immer noch mehrere Interpretationen möglich sind, und ich hoffe, das ist zumindest zum Teil bei diesem Text auch immer noch möglich 🙂
Ganz liebe Grüsse, hoffe, dir gehts gut!!
🙂 danke, ja, endlich eine woche frei.
runterkommen, gartenarbeit … seifeln 😀
liebe grüße mit der gleichen hoffnung an dich!
Der andere wartet auf ein Wort. Ich dachte zum Schluss Deiner Geschichte, ein Glück, dass es die Sprache gibt. Ohne Einladung tritt man nicht ohne weiteres über die Schwelle.
LG
Du hast absolut recht! Wie singt Tim Bendzko so schön: Wenn Worte meine Sprache wären… 😉